Die Grenzen Tlaxcalas im 16. Jahrhundert

 

Felix Hinz

September 2009

 

Berichte über Hernán Cortés

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1. Altmexikanische und kolonial-spanische Grenzen

Zwar sind heute eine große Anzahl altamerikanischer Staaten bekannt, doch wenn es darum geht, topographisch genau bestimmbare Grenzverläufe zu identifizieren, sieht man sich mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass die altamerikanische Welt eine sprachlich-kulturell sehr vielfältige, mobile und politisch kurzlebige war. Auf die Azteken trifft es noch weit mehr als auf die Inka zu, dass sie sich zum Zeitpunkt der spanischen Conquista gerade in einer sich schnell ändernden politischen Situation befanden. Denn die Azteken, die als Großmacht erst 150 Jahre vor den Spaniern die geschichtliche Bühne Amerikas betraten, stellten ein kompliziertes politisches Gebilde dar, das genauer als ein Bund aus drei zentralmexikanischen Städten[1] anzusprechen ist.

Dieser Bund hatte sich nicht zum Ziel gesetzt, ein Reich aufzubauen, sondern strebte lediglich danach, möglichst viele Staaten des mexikanischen Hochlandes zu Tributzahlungen zu zwingen. Die Tribute der Unterworfenen wurden unter die drei Mitglieder des Bundes nach einem bestimmten System aufgeteilt. Ansonsten aber verwalteten sich diese Staaten weiterhin selbst, und es gab weder eine aztekische Verwaltung, noch ausgebaute Straßen oder sonstige übergreifende Strukturen.

Im Norden endete die aztekische Macht dort, wo die Schere zwischen Aufwand und Nutzen für die Ziele dieses quasi kolonialen Tributimperiums unverhältnismäßig weit auseinander ging. Der aride, gebirgige Norden Zentralmexikos wurde von halbnomadischen Chichimeken bewohnt.[2] Eine klar definierte geschweige denn noch heute rekonstruierbare Grenze findet man hier genauso wenig wie zu den südmexikanischen Gebieten, wo aztekische Expeditionsheere auf Reste der Mayabevölkerung trafen.

Klare Grenzverläufe gab es allerdings zwischen den einzelnen altépetl genannten Nahuastaaten, von denen eine besonders hervorstach: Sie umschloss ein Gebiet, das im Westen durch zwei Vulkane von den Städten des Dreibundes getrennt, im Norden an Chichimekengebiet angrenzend und im Südosten ebenfalls durch einen Vulkan abgeschirmt, den Azteken trotzte. Obwohl die Azteken mit der Zeit alle Gebiete rund um Tlaxcala unterwarfen, gelang es ihnen trotz mehrerer Versuche nicht, diesen Staat zu erobern. Die Tlaxcalteken waren dadurch gezwungen, ihre Grenzen zu befestigen.

Welche Rolle spielten diese Grenzverläufe in der spanischen Kolonialzeit? - Die spanischen Eroberer Amerikas interessierten sich zunächst nicht sonderlich für die altamerikanischen Grenzen. Für sie war der gesamte Kontinent "Beutegut", heidnische Herrschaft galt ihnen als nichtig. Doch die goldhungrigen, feudal orientierten Conquistadoren wurden ab 1530 zunehmend von königlichen Beamten ersetzt, die nun durchaus auch flächenstaatliche, institutionelle Strukturen in den neu gewonnenen Provinzen schaffen sollten.[3] Von Beginn spanischer Herrschaft an  bestand jedoch die Tendenz, das weite Land von Städten und Konventen aus in zentralistischer Manier zu kontrollieren, wobei die einzelnen Munizipalgrenzen zunächst in höchstem Maße vage blieben. Im Wesentlichen wurde Spanisch Amerika in die República de Españoles und die República de Indios unterteilt, wobei von den verschiedenen Indianern erwartet wurde, dass sie gemäß dem Encomiendasystem Abgaben und Arbeitsdienste leisteten und sich zwecks besserer Hispanisierung und Kontrolle in Ortschaften organisierten. Während die Provinzen von den spanischen Städten aus verwaltet wurden, blieb auf lokaler Ebene alles in der Hand der indigenen Machthaber. Vor dem Hintergrund, dass vor allem dort markante Grenzen hervortraten, wo Spanier auf nicht-hispanisierte Indianer stießen und dies im 16. Jahrhundert fast überall der Fall war, ist Fernando Operé soweit gegangen, ganz Spanisch Amerika als eine gigantische Grenzregion zu bezeichnen.[4] Diese Argumentation ist angesichts der wenigen Spanier und vielen Indigenen in der Conquista-Phase so falsch nicht, muss seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts jedoch eingedenk des königlichen Konsolidierungsprozesses zunehmend eingeschränkt werden. 1570 wurden in Neuspanien beispielsweise 70  Provinzen festgelegt, denen jeweils ein Alcalde Mayor vorstand.

Provinzen Neuspaniens um 1570, in: Gerhard, Peter: A guide to the historical geography of New Spain. Cambridge 1972, 15; farbige Markierungen FH

Nach Entmachtung der einflussreichsten Conquistadoren wurde zudem 1550 in Spanisch-Amerika das Encomienda-System durch dasjenige des Repartimiento abgelöst. Während die Encomienda eine kaum verhüllte Form der Sklaven-Zwangsarbeit der indigenen Bevölkerung darstellte, wurden bei dem Repartimiento die indianischen Orte dazu verpflichtet, einen Teil des Jahres in reglementierter Form für die Krone zu arbeiten. Damit standen nicht mehr Kopfzahlen, sondern Ortschaften im Focus der Organisation. Mit Ortiz könnte man hier argumentieren, dass nach der Dekulturation durch die Conquistadoren nun die Neokulturation durch die königlichen Beamten in Amerika erfolgte und der ersten hemmungslosen Ausbeutung ein gewisser Riegel vorgeschoben wurde, was autochthone Territorien tendenziell wieder stärkte.

Dies gilt respektive für indianische Grenzen. Auf der Suche nach klar bestimmbaren topographischen Grenzen im spanischen Überseereich stößt man erneut auf das Beispiel Tlaxcala. – Und damit ist es an der Zeit, diesen kleinen Nahua-Staat genauer zu betrachten.

 

2. Die Grenzen Tlaxcalas

Die Tlaxcalteken waren nämlich in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes. Sie hatten nicht nur stets den Eroberungsversuchen der Azteken widerstanden, sondern diese schließlich gemeinsam mit den Conquistadoren besiegt.[5]

 

Grenzen der Provinz Tlaxcala im 16. Jahrhundert (auf Grundlage einer Karte aus:  Davies, Claude Nigel Byam:  Los señoríos independientes del imperio azteca. México 1968, mapa 3)

Bereits den ersten Spaniern, die mit Cortés tlaxcaltekisches Gebiet betraten, fielen Grenzsteine[6] und Wallanlagen auf.[7] Die wohl bekannteste Erwähnung findet sich beim spanischen Fußsoldaten Bernal Díaz del Castillo, der von einer Mauer berichtet, die zwischen Ixtacamaxtitlán und Tecoac – also an der Ostgrenze Tlaxcalas – lag: Er schildert sie als eine große Schanze aus Steinen, Kalk und Bergharz.[8]    

Delgado Gómez erwähnt, dass archäologische Reste dieser Schanze noch im 18. Jahrhundert vorhanden waren.[9] Neuere Untersuchungen vermögen sie nicht mehr zu lokalisieren[10] und auch eigene Nachforschungen in der fraglichen Gegend blieben trotz begeisterter lokaler Hilfe erfolglos.

Die Conquistadoren waren 1519 froh, diese Schanze unbesetzt vorzufinden. Gemäß dem spanisch-tlaxcaltekischen Chronisten Muñoz Camargo gehörte sie zu einem System von Türmen, Bergfestungen und Talsperren[11] rund um das Gebiet Tlaxcalas.[12] Noch 1892 stellte eine Kommission des mexikanischen Heeres[13] Forts bei Mixto und Cacaxtla sowie ein System von Patrouillen-Wegen und Signalfeuer-Anlagen an der alten tlaxcaltekischen Grenze fest.[14] Im Südosten waren derartige Bollwerke nicht nötig, da sich hier die Grenze an die Flanke des viereinhalb-tausend Meter hohen Vulkans Malintzin anlehnte.[15]

Insgesamt kann man wohl davon ausgehen, dass viele Grenzen des dicht besiedelten zentralmexikanischen Hochlands von jeweils beiden Seiten markiert waren, wobei sich diejenige Tlaxcalas freilich als besonders gut befestigt darstellte.

Tlaxcala überdauerte als Staat die spanische Conquista und blieb während des 16. Jahrhunderts grundsätzlich Sperrgebiet für Spanier.[16] Insofern war es innerhalb des spanischen Überseeimperiums ein Sonderfall. Es fühlte sich nach dem Sieg über die Azteken als eine der wichtigsten Stützen kaiserlicher Macht in Neuspanien. Herrschaft endete daher an den Grenzen dieser Provinz immer dann, wenn sie kolonialen Charakter annahm: So durften Tlaxcalteken nicht zu Zwangsarbeiten herangezogen werden und mussten keine Tribute zahlen.

Wie selbstbewusst die ehemaligen Verbündeten des Cortés an der Gestaltung Neuspaniens weiterhin teilzunehmen gewillt waren, zeigt sich unter anderem auch an ihrem Anteil am Vorschieben der neuspanischen Grenzen weit über das Gebiet hinaus, das einst die Azteken beherrscht hatten. Tlaxcalteken sicherten die Straße México-Zacatecas,[17] kämpften für den spanischen König in Chiapas, Honduras, im heutigen Nicaragua,[18] Guatemala, in Nueva Galicia, der Gran Chichimeca, bis hin nach Nuevo México, Texas[19] und sogar in La Florida.[20]

 Auf diese Weise definierten sie zusammen mit den Spaniern die Nordgrenzen Neuspaniens entlang der Gebiete zwischen sesshaften und nomadischen Kulturen und nahmen hierbei ihrerseits genausowenig Rücksichten auf dort etwa bestehende Grenzen wie die Spanier, in deren Auftrag sie vorgingen.[21] Als gelehrige Schüler der Conquistadoren forderten sie dafür neben lebenslanger Steuerfreiheit Hidalgo-Status für sich und ihre Nachkommen.[22] Wir haben es hier also bereits mit deutlichen Anzeichen von Transkulturation zu tun.[23]

1599 zogen weitere Tlaxcalteken unter Juan de Oñate bis nach Nuevo México, um dort dasselbe zu tun wie ihre erwähnten Landsleute. Entlang der weiten Nordgrenze Neuspaniens entstand so Stück für Stück ein immer dichter werdendes System aus kleinen befestigten Stützpunkten, sogenannten presidios.[24] Sie dienten zunächst nur als Kastelle, in die man sich zur Not zurückziehen konnte. Wenn sich die Bevölkerung vermehrte und auch die Nomaden der Umgebung sich hier niederließen, entwickelten sich diese Kleinststädte mit ihrem zentralen Platz oft zum Kern größerer Städte, die bei Bedarf weitere presidios gründeten.

 Doch zurück zur Mutterprovinz Tlaxcala: Da es trotz – oder gerade wegen – der herausragenden Verdienste dieses Staates nicht im Sinne der lokal ansässigen Spanier lag, die Sonderrechte Tlaxcalas zu respektieren, wurde dieses immer wieder verschiedenen Grenzverletzungen ausgesetzt. Obwohl Karl V. 1533 die Grenzen der autonomen Provinz erneut bestätigte,[25] sah sich Tlaxcala zum wiederholten Mal zu Beschwerden veranlasst.

Der tlaxcaltekische Osten grenzte im 16. Jahrhundert an San Juan de los Llanos[26] und scheint in seiner bereits geschilderten Weise weiterhin durch Grenzsteine markiert gewesen zu sein, den die Bewohner der Nachbarorte Ixtacamaxtitlan,[27] Huejotzingo und Cholula[28] wiederholt unzulässiger Weise zu ihren Gunsten versetzten.

Als besonders problematisch stellte sich aber die Gründung der rein spanischen Stadt Puebla de los Ángeles heraus, deren Siedler immer wieder Tlaxcalteken kidnapten, um sie für sich zuerst die Stadt bauen und dann ihre Felder bestellen zu lassen.[29] Der kleine alltägliche Terror bestand des Weiteren darin, dass die Schäfer Pueblas ihre Herden über die fruchtbare Südebene Tlaxcalas trieben und dort die Felder verwüsteten.[30] Es sollen dabei auch immer wieder Tlaxcalteken beiderlei Geschlechts in allen denkbaren Formen misshandelt worden sein.[31]

Prekär wurde die Situation gegen Ende des 16. Jahrhunderts, als die demographische Katastrophe der Nahuas dazu führte, dass aufgrund von Krankheiten ca. 90% der indianischen Bevölkerung starb. Dies hatte amerikaweit den Zusammenbruch indianischer staatlicher Strukturen zur Folge.[32] Statt also die zweite tragende Säule Neuspaniens zu werden, sank Tlaxcala im 17. Jahrhundert zur unbedeutenden Provinzstadt herab und musste froh sein, seine Grenzen gegen das übermächtige Puebla behaupten zu können. Dass Tlaxcala aufgrund der gleichzeitig von der Krone vorangetriebenen territorialen Konsolidierung zumindest hierin Erfolg hatte, zeigt sich an dem Umstand, dass es in der präcolumbianischen Gestalt die gesamte spanische Herrschaftszeit überdauerte – und sogar heute in diesen Grenzen noch als mexikanischer Bundesstaat Bestand hat, obwohl Tlaxcala im mexikanischen Unabhängigkeitskrieg „selbstverständlich“ fast bis ganz zuletzt auf Seiten der spanischen Krone gekämpft hatte.

 

Anmerkungen:

[1] Texcoco, Tenochtitlán und Tlacopan.

[2] Diese wurden von den Nahuas, den Völkern des zentralmexikanischen Hochlands, die alle vor nur wenigen hundert Jahren ebenfalls aus diesen Landstrichen zugewandert waren, mit einer Mischung aus Verachtung und Bewunderung betrachtet. Einerseits fühlten sie sich den Chichimeken kulturell weit überlegen, andererseits waren es in Mexiko eben stets zugewanderte Gruppen aus dem Norden gewesen, die die Kulturvölker unterwarfen und politisch beerbten. Bei den Azteken war es nicht anders gewesen.

[3] Das komplizierte spanische Verwaltungssystem ist in Bezug auf Genese und Aufbau bereits in den 80er Jahren von Horst Pietschmann eingehend dargelegt worden: Pietschmann, Horst: Staat und staatliche Entwicklung am Beginn der spanischen Kolonisation Amerikas (Spanische Forschungen der Görresgesellschaft Bd. 18). Münster 1980.

[4] Operé, Fernando: Historias de la frontera: El cautiverio en la América hispánica. Buenos Aires 2001, 15.

[5] Aufgrund der besonderen Bedeutung für die Conquista sind über Tlaxcala, durch das zudem der für die Eroberer wichtige Weg von México zur Küste führte und das auch ein Zentrum der frühen Evangelisierung darstellte, mehrere spanische Berichte angefertigt worden. Diese Quellen haben sich zum großen Teil erhalten, so dass sich über Tlaxcalas Grenzen einige recht detaillierte Aussagen machen lassen.

[6] Vgl. Muñoz Camargo, Diego: Suma y epíloga de toda la descripción de Tlaxcala [1588-1589], hrsg. von Andrea Martínez Baracs u. Carlos Sempat Assadourian, Tlaxcala 1994, 76-86 [mojonera] u. Díaz del Castillo, Bernal: Historia verdadera de la conquista de la Nueva España, hrsg. von Carmelo Saenz de Santa María, cap. LXI, Madrid 1982, 116 [mojones].

[7] Vgl. Nava Rodríguez, Luis: Tlaxcala prehispánica: de 800 años antes de Cristo hasta 1518 de la era crisiana. Tlaxcala 1976, 142 u. 303.

[8] Vgl. Díaz del Castillo: Historia verdadera, cap. LXII, 1982, 118f. Cortés selbst schildert sie folgendermaßen: „Am Ausgang des genannten Tales stieß ich auf eine große Mauer aus getrockneten Ziegeln, die 1 ½ Mannshöhen hoch war. Sie durchschnitt das gesamte Tal von der einen Talwand zur anderen, war 20 Fuß breit und auf der ganzen Länge mit einer 1 ½ Fuß breiten Brustwehr versehen, um dahinter kämpfen zu können. Es gab nicht mehr als einen Durchgang, der ungefähr zehn Fuß breit war, und an diesem Durchgang war die eine [Mauer] über der anderen so weit wie ungefähr 40 Schritte nach der Art eines Ravilins verdoppelt und so, dass der Durchweg in Windungen, [und] nicht gerade, verlief.“ (Cortés, Hernán: Cartas de Relación, hrsg. von Ángel Delgado Gómez, Madrid 1993,  Segunda relación, 173f.)

[9] Vgl. ebd., Anm. 73. Sie soll sich im Tal „Atonilco“ (Vgl. Orozco y Berra, Manuel: Historia antigua y de la conquista de México. 4 Bd.e. México [1880] 21978, Bd. 4, 173, Anm. 32, der sich auf Lorenzana: Viaje de Cortés [1770] bezieht; vgl. auch Davies, Claude Nigel Byam: Los señoríos independientes del imperio azteca. México 1968, 151f) an einem Ort namens „Tenamascuicuitl“ befunden haben. Damit ist wahrscheinlich das heutige Atotonilco gemeint. Gurría Lacroix vermutet sie allerdings im Cerro de la Mitra. - Sein Foto von demselben findet sich in „Itinerario de Hernán Cortés“, hrsg. von dems., Artes de México, no. 111, año XV (1968), 48.

[10] Vgl. z.B. Lira Parra, Ramón: Algunos monumentos, prehispánicos y coloniales en el Estado de Tlaxcala. o.O. 1978, 50f. u. Miralles Ostos, Juan: Hernán Cortés. Biografía. México 2001, 136.

[11] Vgl. Muñoz Camargo, Diego: Descripción de la ciudad y provincia de Tlaxcala [1579-1585], hrsg. von René Acuña, México 1984, 104. Hier soll sogar eine Garnison der Mexica gelegen haben. Das ist allerdings recht unwahrscheinlich.

[12] Archäologischen Untersuchungen zufolge hat es offenbar bei Hueyotlipan, im äußersten Nordosten der tlaxcaltekischen Allianz, weitere Befestigungen gegeben. Gleiches gilt für die ebene Südwestgrenze Tlaxcalas. Vgl. Krickeberg, Walter: Altmexikanische Kulturen. Berlin 1956, 73 u. Tlaxcala. Textos de su história, hrsg. von Eugenia Meyer u. Andrea Martínez Baracs, 16 Bd.e, Tlaxcala 1991,  Bd. 5, 52. Bei Clavigero, einem spanischen Chronisten des 18. Jahrhunderts, heißt es: „Die Grenzlinie des Staates hatten sie im Westen mit Gräben und im Osten mit einer Mauer von zwei Wegstunden Länge gesichert.“ Clavigero, Francisco Javier Mariano: Historia antigua de México und Disertaciones, 3 Bd.e, México 1945, lib. II, cap. XVI, Bd. 1, 1945, 217; vgl. ebd., lib. V, cap. IV, Bd. 2, 1945, 24; ebd., lib. VII, cap. XXVI, 262f.; Martyr von Anghiera, Peter: Acht Dekaden über die Neue Welt, aus dem Lateinischen übers., eingef. u. mit Anm. versehen von Hans Klingelhöfer, 2 Bd.e, Darmstadt 1972/ 73, Dek. V, Buch I, Kap. VI, Bd. 2, 1973, 11 u. Torquemada, Juan de: Monarquía indiana [1615], hrsg. von Miguel León-Portilla, 3 Bd.e,  México 1969 u. 1975 [Facsimile der 2. Ausgabe Madrid 1723] lib. III, cap. XII, Bd. 1, 1969, 265.

[13] Unter den Hauptleuten Joaquín Ocampo y Arellano und Antonio Retana.

[14] Vgl. Peñafiel: Ciudad virreinal de Tlaxcala 1978, 43. Der mexikanische Historiker Antonio Peñafiel bestätigt 1909 Reste von Befestigungen an der West-Grenze zu Huejotzingo (vgl. Peñafiel, Antonio: La ciudad virreinal de Tlaxcala. México [1909] 21978, 31) und der US-amerikanische Historiker Charles Gibson weiß außerdem von einer Mauer im Norden bei Atlangatepec über den Fluß Zahuapan zu berichten. (Vgl. Gibson, Charles: Tlaxcala in the sixteenth century. New Haven 1952, 9.) Dazu kamen offenbar an den strategisch schwachen Punkten größere befestigte Siedlungen zum Schutz des Hinterlandes. Vgl. Torquemada: Monarquía, lib. III, cap. V, Bd. 1, 1969, 252 u. Tlaxcala, Bd. 4, 1991, 477f.

[15] Die Frage, was es mit diesen Befestigungen auf sich habe, scheint zunächst eher rhetorischen Charakters, da sich Tlaxcala doch über Jahre hinaus im permanenten Belagerungszustand durch die Azteken befunden hatte. Aber es ist durchaus nicht archäologisch bewiesen, dass die Tlaxcalteken sie erbaut hatten. Denkbar wäre auch eine Entstehung während einer älteren geschichtlichen Phase. Auch die Ulmecen hatten bereits starke Befestigungen in Tlaxkala erbaut. (Vgl. Muñoz Camargo: Descripción 1984, 139.) Und zumindest an der Westgrenze hatten nicht nur die Tlaxcalteken, sondern offenbar auch die Texcokaner unter Netzahualcoyotl Grenzmarken und -mauern errichtet. Vgl. Gibson, Charles: The Aztecs under Spanish rule. A history of the Indians of the Valley of Mexico (1519-1810). Stanford (Cal.) 1964, 23. Die Verbündeten des Cortés gaben ihm die Auskunft, dass die Anlagen von den Tlaxcalteken zum Schutz vor Angriffen erbaut worden seien (vgl. Díaz del Castillo: Historia verdadera, cap. LXII, 1982, 118f. u. Cortés: Segunda relación 1993, 174), doch der spanische Chronist López de Gómara besaß gegenteilige Informationen. Vgl. López de Gómara, Francisco: Historia de la conquista de México [1552], hrsg. von D. Joaquín Ramírez Cabañas, 2 Bd.e, México 1943, cap. XLV, Bd. 1, 157. Danach: Cervantes de Salazar, Francisco: Crónica de la Nueva España, hrsg. von Manuel Magallon, Vorw. von Agustín Millares Carlo, 2 Bd.e, Madrid 1971, lib. III, cap. XXXII, Bd. 1, 252 u. Torquemada: Monarquía, lib. IV, cap. XXIX,  Bd. 1, 1969, 419: Die Mauer sei gegen die Tlaxkalteken errichtet worden, als diese zu einer Zeit, als sie unter der Herrschaft der Mexica standen, Raubzüge über die Grenze unternommen hätten. Der Deutung von Cortés widerspricht auch der Umstand, dass die Bollwerke bei Ankunft der Conquistadoren nicht verteidigt wurden. Ebensowenig ist etwas von einer Verteidigung der Schanzen in anderen Zusammenhängen wie den Feldzügen unter Moctezumas Sohn Tlacahuepan bekannt, der Anfang des 16. Jahrhunderts bis in das Tal von Atlixco vordrang. Gleichwohl soll die Grenze 1504 sogar nochmals verstärkt worden sein. Vgl. Tlaxcala, Bd. 5, 1991, 55. Angelegentlich des Überfalls der westlich von Tlaxcala beheimateten Huejotzingas berichtet Muñoz Camargo lediglich, die mit den Tlaxcalteken verbündeten Otomís hätten die Grenzen treu und tapfer bewacht und verteidigt. (Vgl. Muñoz Camargo, Diego: Historia de Tlaxcala, hrsg. von Lauro Rosell, México 1947,  lib. I, cap. XIII, 125.) Gegen die Überlegung, die Tlaxcalteken seien die ursprünglichen Baumeister, hätten sich dann aber zurückgezogen und den im Norden ihrer Provinz lebenden Otomís die Bewachung der Grenze überlassen, die ihrerseits die Verteidigung mit anderen Methoden bevorzugten, spricht, dass es keine klare Trennung von Siedlungsgebieten der Tlaxcalteken und Otomí gegeben hat.

[16] Aufenthaltsgenehmigungen erhielten lediglich der Corregidor – d. h. der Kronbeamte – und eine Handvoll Franziskanermönche. Am deutlichsten werden die Tlaxcala tatsächlich oder angeblich versprochenen Privilegien in: „Ynforme de los méritos de la Ciudad de Tlaxcala de cuyo Archivo sacó Boturini el Original de ésta Copia Ano de 1740“, AGN (Archivo General de la Nación, México D.F.): Historia, vol. 1, exp. 13, foj. 196r - 213v.

[17] AHET [Archivo Hisórico del Estado de Tlaxcala], histórico, caja 1, no. 20, 3667, 26.09.1560, foj. 7r: Beschluss, dass 1000 Tlaxcalteken entlang der Straße ein oder zwei Siedlungen gründen.

[18] AGN, Historia, tomo 1, no. 13. foj. 201v.

[19] Powell, Philip Wayne: Capitán mestizo: Miguel Caldera y la frontera norteña. La pacificación de los chichimecas (1548-1597). México D.F. 1980, 342.

[20] Vgl. Buenaventura Zapata y Mendoza, Juán: Historia cronológica de la noble ciudad de Tlaxcala [1692], hrsg. von Luis Reyes García u. Andrea Martínez Baracs, § 168, Tlaxcala 1995, 159. Auf dem Rückweg wurden sie von den Kastiliern einfach auf Kuba abgesetzt, von wo aus sie nicht aus eigenen Mitteln zurück nach Tlaxkala fahren konnten. [Vgl. AHET, caja 1, exp. 20, fol. 10r. (Pinto, 04.04.1563).]

[21] Powell: Capitán mestizo 1980, 46.

[22] Hennessy, Alistair: The Frontier in Latin American History. London 1978,  62.

[23] 1590 schließlich zogen 400 tlaxcaltekische Familien nach Norden, um in den unsicheren Grenzgebieten Neuspaniens acht Siedlungen zu gründen. Sie sollten die jeweilige Umgebung sichern, den Nomaden die sesshafte und allgemein spanische Lebensweise nahebringen und Nuklei für weitere kleine Siedlungen herausbilden. Zu weiteren derartigen Unternehmungen vgl. Bolton, Herbert Eugene: „La misión como institución de la frontera en el septentrion de la Nueva Expaña“, in: Estudios (nuevos y viejos) sobre la frontera, hrsg. von Fco. de Solano u. Salvador Bernabeu, Anexos de Revista de Indias 4, Madrid 1991, 45-60, hier: 55.

[24] Vgl. mit zahlreichen Einzelansichten den Klassiker: Moorhead, Max L.: The Presidio. Bastion of the Spanish Borderlands. Norman 1975, sehr ausführlich u. mit ergiebigem Kartenmaterial: Simón, Luis Arnal: El presidio en México en el siglo XVI. México D.F. 1995 u. Sepúlveda, Caesar: „La desintegración de la frontera española en Norteamérica“, in: ders.: Tres ensayos sobre la frontera septentrional de la Nueva España, 13-31, hier: 16.

[25] AHET, histórico, caja 1, no. 6, 3653 (18.06.1533), foj. 2/3.

[26] Dies war die Encomienda des Bartolomé Hernández de Navas. Vgl. Gerhard, Peter: A guide to the historical geography of New Spain. Cambridge 1972, 228.

[27] AHET, histórico, caja 1, no. 28, 3675 (31.03.1557): Vzkg. Velasco ermahnt „Iztacamstita“, die Grenze zu Tlaxcala einzuhalten und keine Grenzsteine zu versetzen. Ebenso AHET, histórico, caja 1, no. 9, 3693 (15.11.1560): Vzkg. Velasco ermahnt Ixtacamxtitlán erneut, die Grenze zu respektieren.

[28] AHET, histórico, caja 1, no. 8, Cédula Real 13.03.1535 (Madrid), foj. 1: Die Königin weist die Audiencia an, entsprechende Vorwürfe zu prüfen.

[29] Dies verbot eine Cédula Real vom 23.05.1539 (Toledo): AHET, histórico, caja, 1, no. 8, f. 29, foj. 1. Vgl. auch ebd., no. 10, 3657.

[30] AHET, histórico, caja 1, no. 8, f. 14, Cédula Real 28.01.1541 (Talavera, kopiert am 01.03.1543 in Madrid), foj. 1: Da das Vieh aus Puebla das Grenzland verwüstet, sind bereits viele Tlaxcalteken von dort fortgezogen. AHET, histórico, caja 1, no. 8, Cédula Real 22.06.1549 (Talavera): Tlaxcalteken sollen nicht mehr belästigt und ihr Landbesitz respektiert werden. AHET, histórico, caja 1, no. 8, f. 13, Cédula Real 02.05.1550 (Valladolid), foj. 1: Die Spanier Pueblas dürfen keine estancias erhalten, von denen aus ihr Vieh die Pflanzungen der Tlaxcalteken beschädigen kann. Die Schäden werden auch durch Pferde und Schweine angerichtet. Dabei kam es vor, dass ihre Schafe in die dortigen Gatter einbrachen, und beim Heraustreiben, das eine oder andere tlaxcaltekische Stück Vieh den Weg nach Puebla antrat. AHET, histórico, caja 1, no. 8, f. 16 u. 17, Cédula Real 11.08.1563 (Madrid), foj. 1r.

[32] AHET, histórico, caja 1, no. 9, 3656, 07.05.1536 (Zacatlán), foj. 12: Der indio don Diego [de Castañeda] erscheint vor einem Richter und beklagt sich über schlechte Behandlung. AHET, histórico, caja 1, no. 20, 3667, 25.03.1563, foj. 8r: Spanier aus Puebla verletzen wiederholt die Grenzen. Daher sollen wieder Grenzsteine aufgestellt werden. AHET, histórico, caja 1, no. 20, 3667, 25.04.1563, foj. 15r: Drei Monate lang pro Jahr treiben die Siedler Pueblas ihr Vieh über die Grenze, rauben Kinder und Frauen und vergewaltigen letztere. AHET, histórico, caja 1, no. 8, f. 12, Cédula Real 11.08.1563 (Madrid), foj. 1: Die alcaldes ordinarios dürfen in Abwesenheit der alcaldes mayores die Schwarzen und Mestizen festnehmen, die Schäden an den tlaxcaltekischen haciendas anrichten und die Frauen belästigen.

[33] Dieses Phänomen erstreckte sich über ganz Amerika. Es hatte auch an der Südgrenze Chiles, an der ca. 80% der indigenen Bevölkerung starb, zur Folge, dass den spanischen Ansprüchen kein wesentlicher Widerstand mehr entgegengesetzt wurde. (Villalobos, R., Sergio: “Tres siglos y medio de la vida fronteriza chilena”, in: Estudios (nuevos y viejos) sobre la frontera, hrsg. von Fco. de Solano u. Salvador Bernabeu, Anexos de revista de Indias 4, Madrid 1991, 289-359, hier: 296).